Interviews

Berner King of Trash trifft besten Elektro-Surfer Osnabrücks

Kurz vor ihrem gemeinsamen Konzert im Bastard Club im Sommer 2022 nutzte Andrés vom Oszillator seine Chance und traf Reverend Beat-Man und Kicky Ring Backstage zum Doppelinterview.

| Text: Andrés Irurre, Bild: Anna Suzuki (zeigt Kicky Ring beim Tanztee im Oktober 2022)

Am 13. Juni 2022 gab es im Keller des Osnabrücker Bastard Clubs ein echtes Highlight für die lokale Musikszene. Der Berner King of Trash Reverend Beat-Man war in der Stadt um seine wilde und primitive Version des Gospel und Trash in der hiesigen Rock-N-Roll-Gemeinde zu verbreiten. Dazu kam der beste Elektro-Surfer der Stadt, Kicky Ring, der gemeinsam mit dem kabellosen Klaus im Vorprogramm auftrat. Es war ein schöner warmer Sommertag und ich schwitzte bei einem kalten Radler so vor mich hin. Beide Acts waren grandios und hatten auch sichtlich viel Spaß auf Livemusik und lauten Rock-N-Roll!

Reverend Beat-Man, Andrés und Kicky Ring (v.l.) im Backstage-bereich des Bastard Club. Foto: Thomas Wübker.

Und so saß ich gemeinsam mit Kicky Ring und dem Reverend Beat-Man im Backstage des Bastard Clubs rum. Ich machte ein kurzweiliges Interview mit diesen zwei sympathischen Typen, kurz bevor die Show losging.

Oszillator: Beat-Man, du bist jetzt ein langes Wochenende für Festivals unterwegs, oder?
Reverend Beat-Man: Ja, das stimmt. Da wurde dann halt etwas drumherum aufgefüllt, damit es sich dann auch lohnt.

Oszillator: Deine letzte Platte als Reverend Beat-Man ist ja schon etwas länger her. Was geht denn zur Zeit bei dir?
Beat-Man: Das aktuellste ist You’re Class, I’m Trash von The Monsters. Diese kam in drei verschiedenen Versionen raus.

Oszillator: Ja, am besten finde ich die Schweizerdeutsche-Version. Da singst du alle Texte, die ja ansonsten immer auf Englisch sind, in deiner Heimatsprache, dem Berndütsch, dem Berner Dialekt, also dem Dialekt aud der Gegend, aus der du auch stammst.
Beat-Man: Genau. Der Pete von Slovenly Records (Anmerkung: übrigens ein excellentes Plattenlabel für verrückten Rock-N-Roll und Garagentrash!) aus Amerika, der hat ein Unterlabel: Mondo Mongo. Und der hat gefragt, ob er die Platte in Schweizerdeutsch rausbringen kann. Das war also seine Idee.

Oszillator: Zum Glück war es wahrscheinlich nicht so schwer, oder? Die Platte hat gefühlt nur 20 Worte, die darin vorkommen, haha!
Beat-Man: Hier und da war es dann doch schon ein wenig schwerer. Ein paar Songs haben sofort sehr gut geklappt und ein paar nicht so gut. Wir haben aber zum Glück nur wenige Worte. Und daher funktioniert es dann ja doch ganz gut. Es soll ja wild sein. Heute bei der Beat-Man-Show werde ich auch ein schweizerdeutsches Stück spielen. Das sind ein paar Worte, die versteht dann auch wirklich jeder.

Künstler: Reverend Beat-Man
Herkunft: Bern (Schweiz)
Genre: Gospel-Blues-Trash und primitiver Rock`n`Roll
Letzte Veröffentlichungen:
– REVEREND BEAT-MAN & THE UNDERGROUND (Voodoo Rhythm 2022)
– THE MONSTERS – You`re Class, I`m Trash (Voodoo Rhythm Records + Sound of Subterania – English Version, MondoMongo – Schwyzerdütsch Version) 
Webseite: www.facebook.com/reverendbeatmanofficial

Oszillator: Kennst du das Plattenlabel Kamikaze Records?
Beat-Man: Ja, das kenne ich. Das ist doch auch schon etwas älter, oder?

Oszillator: Ja genau. Da hat soeben der Kicky Ring seine erste LP veröffentlicht.
Beat-Man: Ah du machst auch das Label?
Kicky Ring: Nein, nein, das mache ich nicht. Das Label macht der Dieter Plasmeyer. Mit dem habe ich früher bei Way Out West, einer Surfband, gespielt.
Beat-Man: Ihr habt doch auch dieses Fanzine gemacht: Banzai! Fanzine.
Kicky Ring: Jaja, genau. Da warst du auch drin und ich meine auf der beiliegenden CD dann auch später. Das gibt es sporadisch auch noch. Das Label Kamikaze Records war ja Ende der 90er und Anfang der 2000er ein bekanntes Label für Surfbands. Damals gab es auch in Deutschland unglaublich viele davon. Aber auch viele Rockabilly-Bands haben auf Kamikaze veröffentlicht. Das Banzai! Fanzine ist dann auch über den Tellerrand hinaus bekannt geworden, weil es auch einfach witzig war. (Anmerkung: alleine die verschiedenen Chili-Rezepte waren einen Kauf wert). Es vereinte verschiedene Musikrichtungen wie Surf, Rockabilly, Garage oder Punk und Rock`n`Roll. Das gab es in der Form in Deutschland noch nicht so viel. Natürlich ist Surf nicht so variabel. Es ist instrumental, es gibt viel Hall und das Schlagzeug ist weit hinten und so weiter. Aber das geile war auch der Style und die Aufmachung der Bands. Eine meiner Lieblingsbands waren XXX, die mit Ameisenköpfen aus Pappmaché auf die Bühne gegangen sind. Das war der Hammer. Und so welche gab es zuhauf zu der Zeit. Oder die Leopold Kraus Wellenkapelle aus Freiburg, die eigentlich immer sehr bieder aussahen aber unglaublich geile Musik gemacht haben. Und jetzt trete ich halt an, Surf in`s nächste Jahrtausend zu beamen. Hahaha!

Künstler: Kicky Ring
Herkunft: Osnabrück
Genre: Elektro-Surf
Letztes Release: THE JOURNEY OF… (Kamikaze Records 2022)
Webseite: www.facebook.com/kicky.ring

Oszillator: Jetzt sitze ich also mit zwei Gitarristen hier im Backstage rum (da tönt es aus dem Off: “mit dreien!” – Oh, sorry, haha, hab ich glatt den kabellosen Klaus vergessen!). Da kommt mir doch spontan die Frage: Ace Frehley oder Link Wray?
Kicky Ring + Beat-Man (wie aus der Pistole geschossen und aus einem Munde): Link Wray!
Kicky Ring: Natürlich Link Wray. Absolut.
Beat-Man: Eindeutig Link Wray. What a question! Kiss sind komplett überbewertet, finde ich. Als dieser Kiss-Film rauskam, war ich komplett enttäuscht. Den wollte ich damals als Teenager im Kino schauen gehen. Die Plattencover und Poster fand ich da immer so geil. Dann hatte ich die Platte gekauft und aufgelegt und war so “What the fuck?? Wo ist denn das Brutale jetzt?”. Es gab immer einen Song der okay war und der Rest war scheiße. Und im Kino war ich dann komplett enttäuscht. Die Maskerade und der ganze Showeffekt waren allerdings großartig. Top, immer Nummer eins. Mit das beste was es je gegeben hat. Mit den Residents zusammen.
Kicky Ring: Das stimmt. Es gibt ja auch diese Szene in dem “It Might Get Loud” Film mit Jimmy Page und dem The Edge von U2 und Jack White. Jimmy Page war ja früher mein großer Gitarrenheld. Durch ihn habe ich eigentlich erst Rock`n`Roll kennen gelernt. Da gibt es auf jeden Fall diese Szene, wo der bei sich zu Hause die Link Wray-Single “I’m Branded” auflegt und er spielt dazu Luftgitarre und sagt zu dem Kameramann “Ey, hör dir das an!”. Und das von Jimmy Page, dem größten Gitarristen der Welt. Man denkt ja immer so “Ja ,Link Wray, der macht hier Klick Klick, Wring Wring”, aber was der für ne Seele hatte. Das kann man einfach nicht nachmachen. Das ist halt das Geile bei ihm. Deshalb finde ich solche Typen auch viel besser als zum Beispiel Joe Bonamassa. Der kann wahrscheinlich alles rückwärts hoch und runter und rauf spielen, aber der hat nicht die Seele.

Oszillator: Beat, was dürfen wir in nächster Zunkunft vom Reverend und den Monsters und all deinen Projekten erwarten?
Beat-Man: Oh, da wird noch einiges kommen. Als nächstes “It’s A Matter Of Time: The Complete Palp Sessions” von Reverend Beat-Man & The Underground (Anmerkung: Scheibe ist soeben über Voodoo Rhythm Records erschienen. Ich hab die hier stehen und es ist wie immer, der Knaller!). Wir sind im Winter für eine Woche in den Bergen in einem Challet gewesen. Da haben wir dann Songs gemacht und direkt auch in dieser einen Woche aufgenommen. Das alles hat uns ein Festival bezahlt. Die haben uns ein Musikzimmer über einem Schafstall gemietet. Bei den Monsters ist das etwas anders. Da bringe ich eine Idee, einen Song mit und dann geht das durch den Monsters-Schredder. Später hört es sich dann meist ganz anders an, als am Anfang meine eigentliche Idee. Auf der CD “You’re Class, I’m Trash” zum Beispiel kann man einen gleichnamigen Bonustrack hören. Das ist so wie ein Demo womit ich am Anfang ankomme und dann erst machen wir einen Monsters-Song draus. Bei diesem Song ging es aber nicht. Der blieb dann so. Da konnte man nichts mehr ändern. Wir haben daran rumstudiert und versucht, aber wir sind da zu nichts gekommen. Also blieb der Song einfach so wie er ist. Es ist schon was anderes als Band zu spielen. Da gibt es drei Musiker. Das ist ja eine Demokratie. Jeder sagt etwas und jeder macht seine Sachen. Zusammen kreieren wir dann Songs und bringen die als Trio raus. Die Songs werden natürlich anders und hören sich anders an, als wie ich sie am Anfang geschrieben habe. Ich bin ja kein Diktator und schreibe vor, was alle zu spielen haben. Das ist nicht die Idee einer Band. Die Idee einer Band ist, zusammen was zu kreieren und das macht ja die Magie einer Band aus.

Oszillator: Kicky, dein Album ist ja eher aus der Covid-Notsituation entstanden, oder wie kam das alles genau?
Kicky Ring: Ich hatte im Lockdown einfach Zeit gehabt und eh keine Band. Das passte ganz gut dann. Vor etwa 20 Jahren hatte ich am Computer mal viel elektronische Musik gemacht. Da hatte ich als Spezialagent auch das Album “Liebe” veröffentlicht. Und im Lockdown kam das alles irgendwie wieder. Du sitzt ja dann zuhause, guckst Netflix und hast die ganze Zeit die Gitarre in der Hand und es entstanden immer wieder neue Songs. Jeden Abend entstand ein neuer Song. Ich habe ungelogen, 100 Songs im Lockdown aufgenommen. Das kann man auf meinem Computer nachgucken. Ich möchte nicht damit angeben, aber es war so. Ich habe dann einen Sänger oder eine Sängerin gesucht. Markus Strothmann hat zwei Songs gesungen. Dann Kirsten von Snekashit on a Plane. Aber es hatte auch nie jemand so richtig Zeit. Da dachte ich mir, nimmst du die alten Surfsachen auf und suchst nach Sounds. Also dazu passende Samples aus alten Science-Fiction Filmen und NASA Funkverkehr und diesen US-TV-Prediger aus den 70ern: Jimmy Swaggert. Der hat total die geile Stimme. Das passt einfach zur Musik und floß da rein. Ich wollte eigentlich sowas wie Mikrowelle machen und am Ende ist da dann halt Kicky Ring draus geworden. Es lebt einfach auch von den Samples, so 50er-Jahre Science-Fiction-Filme und dazu Beats die schäbig daher kommen und dann die Surfgitarre. Das hat auch leicht diesen Neue-Deutsche-Welle-Effekt drin.

Oszillator: Dann ist das Album sowas wie ein Best-Of der hundert Lockdown-Songs?
Kicky Ring: Nein, nein. Das ist dann alles unabhängig entstanden. Das kam einfach so. Da entstanden aber dann auch andere Sachen. Zum Beispiel Buddy Hölly (Anmerkung: kann man auch auf dem The SHOCK Tape hören) oder auch was anderes, was so Shoegaze-mäßig, 80er-Wave daherkommt. Das hat aber noch niemand hören dürfen, außer Kirsten und Markus. Das ist also geheim, haha. Aber die Kicky-Ring-Sachen kommen irgendwie gut an. Gerade aus der queeren Szene kommt viel Zuspruch. Das Rock`n`Roll-Publikum wird das eher scheiße finden, weil die sind da zu konservativ für. Aber das ist auch scheißegal. So, jetzt muss ich mich aber wohl langsam umziehen. Ich muss ja gleich auf die Bühne.

Oszillator: Oh ja stimmt. Halb neun bist du schon dran. Okay, dann beeile ich mich mal etwas… Beat, wie ist eigentlich aus dem Lightning Beat-Man der Reverend Beat-Man geworden?
Beat-Man: Der Übergang war fast fließend. Ich war Roadie und Fahrer und meine Bedingung an die Bands war: nehmt mich als Roadie und Fahrer und lasst mich im Vorprogramm, am Anfang 15 Minuten als Lightning Beat-Man spielen. Das war dann immer wie ein Kampf “ich gegen mich – und ich gewinne immer”. Jedes Konzert sollte auch anders sein, als das davor. Und jedes Konzert sollte auch extremer werden, als das davor. Das habe ich dann über zehn Jahre so gemacht, bis ich dann am Ende alles gebrochen hatte und die Stimme verloren. Da kam dann Blut beim schreien und alles war kaputt und dann konnte ich ein Jahr nicht mehr reden.
Kicky Ring: Ist davon was an Spätfolgen geblieben?
Beat-Man: Ja ein wenig, haha. Die Stimmlehrerin hatte viel zu tun. Die hat mich dann auch gefragt “wollen sie wirklich Sänger werden?” Hahaha, ich sag ihr natürlich “Ja!”. Und eines Nachts habe ich dann das Licht gesehen. Da kam dann eine Flamme. Das war wie eine Erleuchtung und ich habe da meinen Weg gesehen. Und der Weg war “Ich bin Musiker bis ich sterbe”. Da ist es mir dann klar geworden, dass auch mit einer kaputten Stimme du deinen Weg machen kannst.

Oszillator: Du bist ja als Reverend meist alleine auf Tour. Was hören der Beat-Man und Kicky Ring so auf Tour im Auto?
Beat-Man: Alles querbeet höre ich dann. Wenn ich durch Deutschland fahre, dann gerne den Deutschlandfunk. Als ich hier nach Osnabrück reingefahren bin, habe ich Rose Tattoo gehört. Auf dem iPod habe ich alles wie ein Mixtape drauf. Auch mal Klassiche Musik oder Noise aus Italien. Alles halt. Das ist wie auf meinem Plattenlabel Voodoo Rhythm. Da ist auch alles wild gemixt. Auch das Seltsamste an Musik soll eine Chance haben. So denke ich und gehe dann auch so dran. Ich habe jetzt halt auch das Glück, dass ich ein solches Label schon sehr lange mache und mittlerweile einen großen Stamm an Käufern habe, die das mögen und zu schätzen wissen. Einer Band ein Sprungbrett bieten zu können, die sonst keine Chance hätte, das finde ich wichtig und die Voodoo-Rhythm-Käufer mögen die Musik, die da kommt.
Kicky Ring: Zur Zeit finde ich Brown Eyed Soul super. So mit mexikanischen Bands, die Soul singen. Aber ich höre auch Hip-Hop oder alten Rock`n`Roll aus den 50ern. Elvis, Chuck Berry oder diese ganzen Sachen von Bear Family Records oder Drum`n`Bass. Halt viel durcheinander. Ich habe kein Spotify und dann kommt von überall her was.