Interviews

“Männer bestimmen, wer Erfolg haben soll”

Jessovski aus Osnabrück macht Elektro-Pop. Im Interview erzählt die gebürtige Berlinerin unter anderem, warum das Musikbusiness ein Männerproblem hat und wie sie damit umgeht.

| Text: Alica Graf, Bild: Chiara Noemi Mueller

Alica: Jess, wie kam es dazu, dass du nun Jessovski bist? Wie bist du zur Musik gekommen?
Jessovski: Ich hatte als Kind schon immer viel Spaß an Musik und wollte Sängerin werden, habe dann im Studium noch einen Umweg über die Musicalausbildung genommen und bin nun aber happy als Solo Künstlerin. Bei einer Musicalproduktion habe ich nicht so viel kreative Selbstbestimmung und ich habe mich mit der Konkurrenz und Hierarchie am Theater nicht wohl gefühlt. Ich hatte Lust, selbst kreativ zu sein und meine kreative Vision selbst zu bestimmen. Meine Arbeit ist jetzt sehr vielseitig mit Texten, Musik machen, Videos drehen, sich mit Mode beschäftigen und und und.

Alica: Und Konkurrenz und Hierarchie gibt es in der Popmusik nicht so stark? Oder wie empfindest du das?
Jessovski: Doch, schon. Vor allem in Chefetagen bei Musiclabels, wo meist immer noch Männer bestimmen, wer Erfolg haben soll und was dann auch Hörgewohnheit wird. Es geht da ja auch viel um Gewinne und das alles verhindert einen strukturellen Wandel in der Branche und mindert eben auch die kreative Vielfalt.

Alica: Fühlst du dich dann manchmal unter Druck, mainstreamigere Songs zu produzieren?
Jessovski: Manchmal hab ich mich das schon gefragt, aber ich mag auch meine edgy Sounds, Themen und Texte.

Alica: Meinst du mit edgy auch deine Texte über koksende Pferdemädchen und Omis mit einer Vorliebe zu MDMA?
Jessovski: Haha, ja nun. Ich finde der Reiz am Texten ist eben auch, Themen aufgreifen zu können, die man so vielleicht erstmal nicht mit bestimmten Menschen assoziiert und sich neue Lebensrealitäten auszudenken. Ich finde es cool, mit dem Frauenbild zu spielen, wie zum Beispiel bei der Großmutter. Außerdem ist es ja auch Quatsch zu sagen, dass es diese ganzen Drogen nicht gibt – also können sie ja auch thematisiert werden. Und ich greife auch gerne Themen auf, die mich bei männlichen Künstlern nerven, zum Beispiel wenn nen Dude über Koks rappt, dann mach ich eben eine eigene Version zu dem Thema.

Alica: Talking about dudes – findest du, dass das Musikbusiness ein Männerproblem hat?
Jessovski: Oh ja, bei Frauen/FLINTA wird ja auch direkt ein anderes Bewertungssystem angewendet: Sie müssen erstmal fuckable sein und Mainstream-Schönheitsidealen entsprechen und dann gibt`s auch noch viel höhere Ansprüche an ihre Kunst und ihre Stimme. Gleichzeitig kommen männliche Künstler mit Haus-Maus-Reimen durch und werden abgefeiert.

Alica: Und wie kannst du bei diesem Wissen cool bleiben?
Jessovski: Ich verspüre für mich keinen Druck, darein passen zu wollen. Und ja, ich bin schon auch ein bisschen eine wütende Person. Zum Beispiel, wenn mich Zeitungsreporter bei Auftritten nur nach der äußeren Erscheinung beurteilen und null auf Inhalte eingehen oder wenn Männer mir ungefragt Styling-Tips geben oder mir Dickpics schicken, wie nach dem Katzenparty-Video. Als ich das nem Kommilitonen erzählt habe, meinte der dann auch noch, dass das ja auch kein Wunder sei, weil ich ja schließlich auch schöne Brüste hätte.

Alica: WTF?!
Jessovski: Ja… ich wurde auch schon von einem Kollegen gefragt, wieso ich es überhaupt wage, Sexismus und Ungleichbehandlung zu thematisieren, weil andere Frauen das ja auch nicht unbedingt tun und trotzdem – oder gerade deswegen – erfolgreich wären. Aber ich denke, es ist einfach wichtig, dass sich Männer damit auseinandersetzen und sich dann auch solidarischer verhalten. Von FLINTA bekomme ich auf jeden Fall viel positive Resonanz und Nachrichten, dass ich inspirierend sei und bei Live-Auftritten bemerke ich aber immer wieder, dass auch viele Männer meine Musik feiern.

Alica: Also hast du Bock auf mehr Live-Gigs und Support-Slots?
Jessovski: Auf jeden Fall. Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal ein Festival und eine Clubshow gespielt und fand das sehr cool. Auf Support-Gigs hab ich auch Lust. Wenn ich`s mir aussuchen könnte, dann gerne bei Blond, den Orsons oder Yeann Iver… Und dann würde ich auch noch gerne mehr politische Arbeit machen, zum Beispiel in den Bereichen Diversität und Kultur.

Alica: Cool, an Ideen scheint`s nicht zu mangeln. Hast du denn auch Bock auf so richtig Fame oder hast du manchmal auch Schiss, dass die Solo-Karriere nicht so klappt, wie du es dir wünschst?
Jessovski: Wichtiger als Fame ist mir, dass Menschen meine Musik einfach mögen. Und klar, es wäre auch cool, damit Geld zu verdienen aber eben nicht um jeden Preis. Ich möchte zum Beispiel keine Kunstfigur aufbauen, die nichts mehr mit mir zu tun hat, oder meine Privatsphäre aufgeben. Mentale Gesundheit geht auf jeden Fall auch vor. Und klar, Live-Konzerte und Gesangsunterricht sind sicherlich Luxus und vielleicht nicht immer krisenresistent, aber in der Musik und der Theaterpädagogik gibt`s viele Bereiche, wo ich tätig sein kann. Daher mache ich mir da gerade nicht so viele Sorgen.

Alica: Jo, dont`t worry und keep on smashing the patriarchy.
Jessovski: Eben!

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Teile des Interviews wurden bereits im Rahmen eines Porträts über Jessovski und das feministische LAUT-Kollektiv in der Ersti-Ausgabe der Osnabrücker Studi-Zeitung Campuskater im Oktober 2022 veröffentlicht.

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Ich studiere in Osna, zeichne gerne obszönen oder feministischen Kram und bin Fan von Schnittchen mit Gurkenfächern und meiner Punkband Memento YOLO.