Konzertberichte

Deutschpunk muss weiterleben!

Am Samstag, den 25. November 2023 war es laut und schnell im Osnabrücker AZ SubstAnZ. Und vorher ziemlich lecker. Ein persönlicher Gourmet- und Konzertbericht.

| Text: Eike Stolzenburg, Bilder: Melli und Malte

Am letzten Novembersamstag 2023 zog es meine Konzertbegleitung Michi und mich in die Osnabrücker Frankenstraße ins SubstAnZ. Bei ungemütlichen 3 Grad wurden wir erstmals in diesem Jahr durch dicke Handschuhe und Schal (Gesamtsuchdauer zu Hause: 36 Minuten) begleitet. Gerade war doch noch Sommer?

Nach einem fulminanten, fast Pizzateller füllenden und tierleidfreien Döner in Osnabrücks bester Fast Food-Schmiede Drehspieß (das war der oben beschriebene Gourmetbericht) trudelten wir um kurz vor 22.00 Uhr am SubstAnZ ein. Das Alternative Zentrum ist mit seinen 700 m² Nutzfläche und dem bunten, graffitiverzierten Innenhof nicht zu übersehen. Es ist schwer vorstellbar, dass sich dieser Anblick bereits im August 2024 wesentlich verändern könnte, besser: verändern wird. Der seit 15 Jahren existente Mietvertrag wird nicht verlängert – wertvolle Subkultur wird bald von massentauglicher Konsumkultur verdrängt. Es ist zum Heulen.

Seit jeher bietet das SubstAnZ als alternativer Raum Menschen, die aus dem durchschnittlichen, meines Erachtens auch zweifelhaften und kritisch zu beäugenden gesellschaftlichen Raster fallen (bspw. queeren Menschen, Menschen mit besonderen sozialen und / oder finanziellen Herausforderungen und vielen mehr), Möglichkeiten sich zu entfalten, sich sicher und als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen.

Im Grunde muss es im Interesse der Gemeinschaft liegen (Gesellschaft, Politik und Verwaltung), diese bunte Vielfalt aufrecht zu erhalten, mehr, sogar zu fördern. Scheint aber momentan nicht so.

Gut (oder schlecht), zurück zu unserem abendlichen Event, das wie so häufig mit einem positiven Auftakt punktete: 5 Euro Eintritt sind einfach unschlagbar und so ist es immer möglich, noch ein paar Euro Spende für das Haus zusätzlich in die Kasse zu legen. Und das führt sich nahtlos bei den Getränkepreisen so fort.

Viel Zeit zum Ansetzen des ersten Biers respektive des koffeinhaltigen Getränks aus Mate-Tee-Blättern, das u.a. in jedem Club heimisch ist, blieb allerdings nicht mehr.

SoKo Mettigel, die Band mit dem bescheuertsten Namen der Welt, aber mit den nettesten Menschen, die man sich vorstellen kann, optisch eine Mischung aus dem einzigen sympathischen Lehrer an Deiner Schule und Tocotronic, standen bereits auf der Bühne.

Punkrock aus Hamburg: SoKo Mettigel

Ab dem ersten Akkord und dem ersten Drumsound spielten die drei Hamburger (Jungs(?), nee, das wahrhaftig nicht mehr) melodiösen Ufta Ufta-Punkrock mit deutschen Texten, der immer mal wieder zu schnellen Bewegungen animierte, allerdings genauso gut funktionierte, wenn das Tempo gedrosselt wurde.

Gesellschafts- und politikkritische Texte zeigten, dass die Band inhaltlich was zu sagen hat. Der Großteil der Songs des Livesets stammte vom Anfang 2022 releasten Debut „Dienst nach Vorschrift“. Ein paar persönliche Texte waren dann doch dabei, wie „Mücke“, in dem es um einen Freund geht, der lustigerweise im Publikum weilte.

SoKo Mettigel zogen ihren Auftritt spielfreudig und mit angenehmer Länge zuzüglich einiger Zugaben durch. Das Publikum war überaus zufrieden und quittierte den Auftritt der Band mit freundlichem, anhaltenden Applaus. Gut war das!

SoKo Mettigel – Sojalattefluten live

Nach Elfe betraten dann Habgier aus Neubrandenburg die Bühne. Die Band existiert seit 2016, und zuerst fiel auf, dass der Live-Drummer früher bei Chaos Z gespielt hat. Es gab nämlich gar keinen, die Drums waren aus dem Computer und wurden vom Band zugemischt.

Schneller Punkrock aus Neubrandenburg: Habgier

Das tat der Qualität der Musik allerdings keinen Abbruch und Habgier präsentierte eine Reihe kurzer, rotziger und schnoddriger Songs, was extrem kurzweilig rüberkam.

Die Band ist ähnlich wie SoKo Mettigel im deutschsprachigen 80s-Punk verwurzelt und spielt ihre Drei Akkorde-Stakkatosongs meist forciert Uptempo, wobei Melli und Penker gut aufeinander eingespielt ans Werk gehen, so dass Habgier richtig Spaß machen. Eine coole Singstimme, souveräne Gitarren- und Bassarbeit, sowie viel Bock auf Spielen packten ihr Quentchen obendrauf und sorgten für gute Laune.

Habgier – Religion

Gegen 00.00 Uhr war, bei zwei Bands wenig verwunderlich, der Konzertabend im SubstAnZ dann schon vorüber.

Im Publikum zählte ich so etwa 30 Leute, viel Stimmung kam dabei von einer Habgier-Fangruppe, die sich bereits mehrere Konzis der Band angeschaut hatten und auch den Auftritt in Osnabrück ziemlich abfeierten. Den Gesamtzuspruch fand ich für ein Konzi dieser Qualität wenig, der guten Laune tat es aber keinen Abbruch und soweit ich es sehen konnte, hatten alle eine gute Zeit.

Ich habe auf jeden Fall ein paar Ohrwürmer in Dauerschleife im Kopf, ziehe zufrieden einen Vergleich zwischen 1983 und 2023 und komme zu dem Schluss: Deutscher Punk ist immer noch extrem wichtig.

Eike Stolzenburg

Als 68er Jahrgang begann meine Punksozialisierung Mitte der 80er in den feuchten Gewölben des Osnabrücker Ostbunkers, wo ich bei Auftritten von SNFU, Äni(x)Väx und R.A.F.Gier auf dem glitschigen Boden hin- und herwogte und -pogte. Getreu dem Motto „Never too old to be Punk“ bin ich immer noch dabei und aktiver denn je.