Konzertberichte

Geh ma Ziegenbrink IV – Mach ma richtig laut!

Am 20.08.2022 fand zum 4. Mal das Geh ma Ziegenbrink Open Air für Musik der schnelleren und lauten Gangart statt.

| Bilder: Gerrit Wübbolt, Text: Eike Stolzenburg

In pandemischen Zeiten ein Festival zu planen und durchzuführen, ist gar nicht so einfach. Davon wissen auch die Organisator*innen des „Geh ma Ziegenbrink“ ein (Doommetal-)Lied zu singen.

In 2020 musste die Veranstaltung wegen Corona komplett abgesagt werden, in 2021 gab es eine abgespeckte Variante mit Teilnahmeobergrenze, Coronaauflagen und Sitzgruppen statt Headbangen vor der Bühne.

Die Sommerveranstaltung 2022 sollte anders werden: Keine offiziellen Auflagen mehr, keine Einschränkungen, ein Schritt in Richtung Normalität. Die Skepsis, ob das Wetter hält, war am Veranstaltungstag die größte Sorge. Und es hielt! Im Vorverkauf wurden bereits etwa 100 Karten abgesetzt, die Tendenz schleppender Vorabverkäufe anderer aktueller Veranstaltungen stellte somit ebenfalls keine Gefahr da.

Kurz nach 16.00 Uhr eröffneten die Münsteraner Possible Damage das sonnenbeschienene Festival und ließen mit ihren 60 Sekunden-Powerviolence- / Grindcoresongs nichts anbrennen. Gemischter female- / male-Gesang – besser Shout – ist auch immer richtig gut. Die Band hat gerade ihre ersten Demoaufnahmen released und die Latte für die nachfolgenden Bands schonmal schön hochgelegt.

Manoever (OS / MS) vertraten im Anschluss sehr kurzfristig die krankheitsbedingt ausgeknockten Undun und Hardcore wurde durch einen sägenden Death Metal- und Crustmix ersetzt, was natürlich fantastisch funktionierte. Es war ganz nett brutal und Manoever sind eh immer eine Bank.

Als Nächstes sah die Running Order Spit Acid aus Osnabrück vor, die, ebenfalls mit dem recht neuen Album „The Struggle Is Real“ im Gepäck ihren rotzigen Riotpunk druckvoll ans Publikum brachten. Ungefähr vier Jahre am Start, wird die Band von Mal zu Mal besser. Das Set hätte gern noch etwas länger sein dürfen!

Dann wurde es international: Hetze stammen aus Belgien und der Hardcore der Band erhält durch die manische Stimme der Sängerin einen ganz besonderen Charme. Krass und ebenfalls richtig, richtig fett.

Im Anschluss betraten Attack Of the Mad Axeman die Bühne und es kam zu ersten optischen Auffälligkeiten. Die fünf traten in Tierkostümen (Biene, Eichhörnchen usw. usf.) auf, die mit Sicherheit aus der 1990er Insolvenzmasse der Babelsberger DEFA-Studios stammten. Ich konnte den Mottenkugelmuff förmlich riechen. Sowohl der Auftritt wie der dargebotene Grindcore würden auch perfekt zum Obscene Extreme passen, allerdings zelebrierten AOTMA eher den Abriss als eine Party. Und bei der fast orchestralen personellen Besetzung kam da jede Menge Dampf raus.

Für eine kleine musikalische Verschnaufpause sorgte der nächste Programmpunkt: In Form eines Quiz konnten Teilnehmende ihr musikalisches Hintergrundwissen unter Beweis stellen und dabei einige schöne Preise gewinnen.

Etwas Besonderes hatten sich die beiden Fastcorebands ill! und Turtle Rage ausgedacht: In doppelter Bandbesetzung standen sie gleichzeitig auf der glücklicherweise geräumigen Bühne und brachten abwechselnd brachial ihre Wut und Energie zum Ausdruck. Wenn irgendjemand dachte, dass eine der Bands bei der kräftezehrenden Aktion schlapp macht, weit gefehlt! ill! und Turtle Rage brachten das Set gemeinsam zum Abschluss. So gab es bei diesem Battle zwei Gewinner, was nur fair ist, standen sie sich doch in Sachen Qualität in nichts nach.

Dass wir langsam, aber sicher in den Spätsommer kommen, machte sich vor dem Auftritt der letzten Band durch die einsetzende Dunkelheit bemerkbar. Das tat bei lauen Temperaturen der Feierlaune aber keineswegs einen Abbruch. Trespasser sollten den Abend beschließen und das taten die Schweden sehr eindrucksvoll. Der aggressive Black Metal der Vretstorper wies am ehesten von allen Bands nachvollziehbare Songstrukturen auf, den Gitarren wurde die Möglichkeit gegeben, Melodiebögen aufzubauen und einige Songs kamen über die 3-Minutengrenze hinweg.

Neben den musikalischen Acts auf der Bühne boten auch einige Stände die Möglichkeit, sich angenehm die (allerdings immer kurzen) Umbauzeiten zu vertreiben. Zum klassischen Getränkestand des Gemeinschaftszentrums gesellte sich ein Cocktailstand, dessen Vorräte weit vor Veranstaltungsende ausverkauft waren. Merchverkäufe wurden durch die Osnabrücker Ortsgruppe der Soliinitiative „Second Band Shirt“ ergänzt. Für das leibliche Wohl sorgten vegane Schnitzelbrötchen  und vegane Pizza.

Einfach cool ist es auch zu sehen, dass Nachhaltigkeit, solidarisches Grundverständnis, achtsamer Umgang mit Ressourcen, Mensch und Tier einen immer größer werdenden Wert bei alternativen Festivals darstellen.

Mit etwa 350 Gäst*innen war die Gemeinschaftsveranstaltung von Kellerassel Booking, Musikbüro Osnabrück und dem GZ Ziegenbrink „Geh ma Ziegenbrink IV“ ein voller Erfolg. Ein Termin für 2023 soll bereits im Kalender stehen, lassen (nicht verifizierte) Quellen verlauten.

Vielen Dank an dieser Stelle an Gerrit von Tuschkasten für die fantastischen Fotos!