Festivals Szene-News

How to party hard… ähh klimafreundlich?

Braucht es bald “Fridays for concerts” oder bleibt alles wie gehabt? Wie kann es gelingen die Musik- und Veranstaltungswirtschaft nachhaltiger aufzustellen? Und welche Ansätze gibt es bereits?

| Text: Alica Graf, Bild: Martin Wispel

Sonntagmittag, es wird langsam heiß und mensch puhlt sich ächzend aus dem Wurfzelt, das nach einem Wochenende auch schon wieder hin ist. Einmal Augen reiben, Konterbier an den Hals und ein Blick über die Zeltwiese lässt angesichts des ganzen Mülls ein schlechtes Gewissen hochkommen. Aber egal, war halt geil und überhaupt: ~YOLO~.

So offensichtlich wie bei Großveranstaltungen wird das Thema Müll und generell Nachhaltigkeit bei Musikveranstaltungen selten, doch sind die Hinterlassenschaften wie leere Bierdosen – die “am besten” pfandfrei aus den Niederlanden besorgt wurden – und Kippenstummel, aus denen Nikotin ins Grundwasser und in den Boden gelangt, nur die Spitze des Eisberges.

Angesichts der Klimakrise ist klar, dass alle Lebensbereiche nachhaltig gestaltet werden müssen, wenn sie weiterhin bestehen wollen. Nachhaltigkeit bezieht sich dabei nicht nur auf die ökologische Perspektive sondern will auch soziale und ökonomische Themen mitdenken. Tja nun, wie kann das alles unter einen Hut gebracht werden und welche nachhaltigen Ideen gibt es bereits in der Musikbranche?

Besser keine Tour als eine klimaschädliche?

Eine radikale Idee kam 2019 der Band Coldplay, die ihre Welttournee mit dem Argument „Klima“ abgesagten. 2022 versuchte die Band dann eine 50 Prozent klimafreundlichere Welttournee zu veranstalten als noch einige Jahre zuvor. Coldplay setzte dabei vor allem auf erneuerbare Energien, grünere Logistik und zum Beispiel kinetische Böden, auf denen tanzende Menschen Strom erzeugen können. Außerdem soll es nur noch Metallbecher im Flugzeug und Bio-Konfetti geben. Ob das die Welt retten kann ist wohl fraglich, schließlich haben die Konzertbesucher*innen mit ihrer Anreise und ihrem Verzehr auf dem Konzert den größten Einfluss auf die Klimabilanz des Events. Um Anreize für eine Zug- oder Busanreise zu bieten, belohnte die Band Konzertbesucher*innen daher mit Gutscheinen.

Klimabewusstsein bei Festivalbesucher*innen wächst

Beim Stemweder Open-Air im Norden Osnabrücks ist die ÖPNV-Anbindung zwar nicht so luxuriös wie in den Großstädten, in denen Coldplay spielt, doch bemüht sich das Kollektiv des „Umsonst und Draußen“-Festivals bereits seit zehn Jahren um einen Busshuttle vom Bahnhof Lemförde zum Festivalgelände. „Es kommen trotzdem viele Leute mit dem Auto, weil sie viel Campingausrüstung dabei haben“, meint Wilhelm Lindemann, der das Festival bereits seit 1976 mitorganisiert. Dennoch bemerke er einen Wandel bei den Besucher*innen, wenn es um das Klimabewusstsein gehe. So brauche es beispielsweise immer weniger Tage zum Aufräumen des Campingplatzes. Lindemann erklärt auch, dass es neuerdings ein „Müll-Interventionsteam“ gibt, dass nicht nur Müll, sondern Menschen auch darauf hinweist, wenn sie Müll unachtsam liegen lassen. Außerdem sei das Festival eines der ersten gewesen, das ein Müll-Pfand-System eingeführt habe. Dass das Stemwedre Open Air aus Klimagründen zeitnah komplett vegetarisch wird, sieht Lindemann derzeit aber nicht.

Zumindest wenn es um die Verpflegung der Bands geht, die das Musikbüro Osnabrück veranstaltet, ist dies jedoch der Fall. „Das hat neben dem Nachhaltigkeitsaspekt aber auch einen anderen, praktikablen Grund: Das können alle essen,“ erklärt Marco Gausmann, Geschäftsführer des Musikbüros. Neben ÖNVP-Hinweisen versucht das Musikbüro auch Transportfahrten zu minimieren, indem es den Künstler*innen möglichst viel Equipment, wie zum Beispiel die Backline, zur Verfügung stellt. Ansonsten ist es dem Musikbüro im Sinne sozialer Nachhaltigkeit ein Anliegen, möglichst diskriminierungsfreie Veranstaltungen zu organisieren. Dazu möchte das Team auch sein Awareness-Konzept verbessern und konkreter ausarbeiten.

Einen guten Überblick über die Faktoren, die es braucht, die Musik- und Veranstaltungsbranche nachhaltig zu machen, gibt es bei der „16 steps bis 25“ Initiative. Durch frei verfügbare Leitfäden, wie den Sustainability Rider und konkreten Checklisten für Veranstalter*innen versucht die Ini, die Eventwirtschaft bis 2025 klimaneutral zu machen. Dabei geht es dann auch nicht nur um Ökostrom, Veggie-Food und ÖPNV-Anbindung, sondern auch um barrierefreie Zugänge für Menschen mit Behinderung und die Frage, wie und wo das T-Shirt am Merchstand hergestellt wurde – um eben auch die sozialen und ökonomischen Faktoren bei der Eventplanung zu berücksichtigen.

Kultur und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen

Fest steht, dass es ohne Nachhaltigkeit nicht geht. Schon jetzt müssen Veranstaltungen wegen Extremwetter abgesagt oder evakuiert werden und dennoch sterben Menschen bei Unwettern oder werden schwer verletzt. Da ist es dann auch irgendwann die Frage, welche Versicherung noch für derartige Veranstaltungen haftet und zu welchem Preis. Eine komplette Absage einer Tournee aus Klimagründen ist sicherlich hilfreich, um Menschen erst einmal für das Thema zu sensibilisieren. Doch sollten Kultur und Klimaschutz langfristig nicht gegeneinander ausgespielt werden. Kunst und Kultur sind wichtige Charakteristika des Menschsein und somit eventuell auch Motivation, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren. Denn „Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär‘ nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ [Die Ärzte (2004): Deine Schuld]

–> Klinger, Natalie (2021): Coldplay. Klimaneutrale Tour – mehr als nur PR?,[https://www.deutschlandfunkkultur.de/coldplay-klimaneutrale-tour-mehr-als-nur-pr-100.html] [05.01.23]

–> Lohmann Stefan (2017): Die Sustainability Checkliste, [https://sustainable-event-solutions.de/die-sustainability-checkliste/] [05.01.23]