Konzertberichte

Vier Acts, vier Locations

Konzertbericht vom Popsalon 11: Freitag, 14. April 2023, Bulgarian Cartrader (Lagerhalle), Kara (Haus der Jugend), Jungstötter (Kleine Freiheit) & Rolf Blumig (Bastard Club).

| Text & Bilder: Jens Engel

Warum ich dieses Jahr unbedingt zum Popsalon wollte? Jungstötter hatte ich – noch vor Corona – einmal live gesehen. Auf einer ganz kleinen Festivalbühne und war total geflasht: Scott Walker ist wieder auferstanden, um seine frühen Soloalben mit seinem avantgardistischen Spätwerk zu versöhnen – großartig. Aber natürlich habe ich mir auch einen Querschnitt der weiteren am Freitag aufspielenden Künstler gegeben; also schön der Reihe nach.

Bulgarian Cartrader, Lagerhalle

Der Abend beginnt in der Lagerhalle und nein, Bulgarian Cartrader alias Daniel Stoyanov, steht nicht im angekündigten Schaffellmantel seines Großonkels auf der Bühne (schade eigentlich), sondern recht normal gekleidet – bis auf die Mütze mit Nackenschutz. Mit Gitarre, Bass und Computer singt und spielt er allein zu den Backing-Tracks seiner Songs. Das klingt live tatsächlich authentischer als es sich jetzt vielleicht liest, da das jeweils gespielte Instrument nicht zu sehr in den vorproduzierten Sound eintaucht. Das erzeugt eine gewisse Ungeschliffenheit, die dem Konzert total gut tut. Musikalisch ist das eine charmante, aber recht wilde Mischung verschiedener Genres; ein abwechslungsreiches musikalisches Spektrum zwischen Jazz, Indie und Weltmusik (kann man das so sagen?). Auf jeden Fall brodelt die Lagerhalle und im vorderen Bereich wird, trotz des noch jungen Abends, schon ordentlich getanzt.

Kara, Haus der Jugend

Im Haus der Jugend das Kontrastprogramm: Kara steht mit einer großartigen Band, bestehend aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Vibraphon auf der Bühne, vor einem Publikum, das lauscht! Es ist mucksmäuschenstill. Die Songs sind melancholisch und melodiös. Karas Stimme schwebt nicht weit über der Musik, fügt sich ein, gibt den Instrumentalisten Raum, den sie unprätentiös nutzen. Es entsteht ein sehr ausgewogener großer Bandsound: Schöne, abwechslungsreich arrangierte Songs, erholsam und zum Genießen präsentiert.

Jungstötter, Kleine Freiheit

Vordergründig ist die Band, mit der Fabian Altstötter, alias Jungstötter, auf der Bühne steht, ganz klassisch besetzt: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keys. Im Laufe des Konzerts bedient der Gitarrist dann aber zusätzlich die Klarinette und diverse elektronische Geräte, dafür greift der Chef hin und wieder zur Gitarre – eine spannende Besetzung. Die Freiheit ist nur spärlich gefüllt als das Konzert beginnt. In den vorderen zwei Reihen Menschen, die sich auf die Band einlassen, dahinter ungeheuer lautes Gequatsche – also irgendwie eine dieser Tage häufig anzutreffende Festivalsituation, die die Musik zur Nebensache degradiert. Im Gegenzug wird die Lautstärke hochgepegelt. Das wäre vermutlich gar nicht weiter schlimm, wäre der Sound – tut mir leid, dass das so gesagt werden muss – nicht so grottenschlecht.
Bei den Songs des ersten Albums Love Is geht es noch gerade so (die kennt man ja) aber bei den neuen Stücken, die hier vor Erscheinen des zweiten Albums am 28. April 2023 teilweise uraufgeführt werden, ist von den eher experimentellen, vertrackten Sounds und den lyrischen Finessen der Kompositionen kaum noch etwas zu erahnen. Echt jammerschade. Liebe Freiheit, da muss dringend was passieren.

Rolf Blumig, Bastard Club

Der Vergleich mit Zappa und Simone (so zu lesen in der Spotify-Vita) ist vielleicht ein wenig vermessen, aber dass es sich bei der Band um durchaus talentierte Musikanten handelt, kann bestätigt werden und die proklamierte Mischung aus „messerscharfem Rock, zärtlichstem Folk, groovendem Funk und in alle Himmelsrichtungen mäanderndem Prog-Kraut-Psychedelic“ entwickelt sich schnell zum Highlight der heutigen Konzertauswahl. Die vierköpfige Truppe ist perfekt aufeinander eingespielt und der Bastard Club macht einen Sound, der die gereiften Arrangements mit allen Höhen und Tiefen adäquat rüberbringt. So muss das sein! Rolf Blumig zu lauschen, macht Spaß und gute Laune. Das Publikum quittiert das mit großem Applaus und bekommt sogar noch eine Zugabe.

Um 24 Uhr reicht es dem alten Sack dann auch, zumal ich merke, dass die Kleine Freiheit der Resilienz meiner Ohren einiges abverlangt. Der Popsalon 2023 hat mit einer guten Bandbreite an Musikstilen meine Erwartungen voll und ganz erfüllt und Osnabrück hat ja doch ein paar schöne Locations, die man bei so einem Festival mal wieder zu Gesicht bekommt. Den Shuttle-Bus habe ich nicht gesehen und auch nicht genutzt, lieber bin ich durch die laue Nacht gelaufen oder habe mich von zufällig getroffenen, alten Bekannten chauffieren lassen.

Popsalon 2024 – gerne wieder!